Wunderbare
Eifel
Köln ist vielleicht nicht gerade für seinen Felsreichtum bekannt. Trotzdem haben wir Kölner so etwas wie ein Heimatklettergebiet. Und damit meine ich nicht die Hohenzollernbrücke, die in den 90ern aus mir unerfindlichen Gründen zu einem ernstzunehmenden Kletterspot avancierte. Zweimal habe ich diesem Brückenpfeiler der bekannten den Rhein überspannenden Brücke die Chance gegeben mich von seinem Potenzial zu überzeugen. Erfolglos! Weder die Kletterei an „grobbehauenem Muschelkalk“, welche sich 2m weiter rechts nicht arg von 2m weiter links unterschied, noch die Tatsache, dass man für 5-10 Meter langweiliger Kletterei jedes Mal umständlich ein neues Top-Rope installieren musste, überzeugten mich. Die meisten Kletterer schien das zur Schau stellen ihres Crazy-seins geradezu zu beflügeln, aber mich törnten die Blicke von hunderten vorbei kommenden Passanten, die gezückten Kameras von staunenden japanischen Reisegruppen sowie der immer wieder gehörte und noch kein mal als witzig befundenen Spruch „Da drüben gibt es eine Treppe“ ganz schön ab. Noch nicht einmal die ernstgemeinte Bewunderung und Anerkennung von Passanten konnte mich darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Routen so leicht waren, dass sie wohl jeder einigermaßen sportliche Tourist ebenfalls hätte erklimmen können, wenn wir ihm unsere Kletterschuhe geliehen hätten. Inzwischen setze ich mich hin und wieder gerne mit einem Bier an der Hohenzollernbrücke auf die Kaimauer und bestaune das illustre Treiben. Von TEVA-Sandale bis Buff-Kopftuch mit voller Outdoorbekleidung ausgerüstet, wird mit freiem Oberkörper geächzt, gestöhnt, „Come on, Allez“ und „Fuck“ gebrüllt um die Aufmerksamkeit noch etwas mehr auf sich zu lenken. Jedes Mal freue ich mich, wenn meine erstaunten Blicke bemerkt werden und das Gestöhne, Geächze, sowie das „Come on, Allez“ und Fuck“ -Gebrülle noch lauter wird. Wenn man anderen eine Freude macht schmeckt ein kaltes Kölsch halt doch doppelt so gut.
Nein, die Hohenzollernbrücke meine ich nicht als
Heimatgebiet.
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Heimatklettergebiet der Kölner |
Eben so wenig wie den Kölner Dom. Auch wenn er im Stadtgebiet mit
157,38 Metern die höchste Erhebung darstellt und ich einmal ein Domfoto mit
eingezeichneter Routenführung einer Mehrseillänge gesehen habe, bietet sich ob
der drohenden Konseqenzen eines Ersteigungsversuches dieses Prachtbauwerk nicht
als Kletterspot an. Aller Absurdität zum Trotz erreichten diese urbanen
Kletterentwicklungen 2006 mit der Ausrichtung der ersten Buildering WM in Köln
ihren Höhepunkt. Was die japanische Reisegruppe wohl bei dem Anblick einer
fünfzigköpfigen Gruppe mit großen Matten auf dem Rücken, die mit dem
öffentlichen Personennahverkehr Brücken und Denkmäler abfahren um mit lautem
Gebrüll diese zu erklimmen, gedacht hat möchte ich mir gar nicht ausmalen.
Nein ich meine echten Fels in echter Natur. Und diesen
findet man als Kölner in der Eifel. Sicherlich haben Mayener oder Nideggener
sowie Gerolsteiner und wahrscheinlich sogar die Dürener mehr Anrecht darauf zu
behaupten in der Eifel heimisch zu sein. Trotztdem würde ich schon ob der
vielen dort verbrachten Tage, ob der großen Liebe zu Land und Leuten und
natürlich ob der Kletterei, mich dort als so etwas wie ein Local bezeichnen.
Die Eifel verwöhnt uns mit den verschiedensten
Gesteinsarten. Zum Bouldern und Klettern laden Sandstein sowie
Sandsteinkonglomerat, Dolomit, Basalt und Vulkangestein namens Basanit ein.
Diese bilden Überhänge und Platten, sowie Risse und Kanten. Eine internationale
Bedeutung kann man der Eifelkletterei jedoch auch trotz der zahlreichen
niederländischen Gäste kaum zusprechen. Vielmehr zeichnet wohl die geografische
Beschaffenheit des kleinen Nachbarlandes dafür verantwortlich, dass man neben
Eifler Platt und kölsch auch holländisch zu hören bekommt.
Kurzgesagt die Eifel ist einfach wunderbar. Und das nicht
nur im eigentlichen Sinn, sondern auch im wortwörtlichen! Denn wer in der Eifel
klettern geht ist mit so vielen Wunderlichkeiten konfrontiert, wie ich es von
noch keinem sonstigen Klettergebiet gehört habe. Wie sonderbar so vieles ist,
merke ich zugegebenermaßen immer erst dann, wenn ich fremden Kletterern von der
Eifel erzähle.
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Heute verboten: Trichterkante im Rurtal |
Das Klettern im Rurtal ist sicher nicht jedermanns
Geschmack. Die einst von Wolfang Güllich(!) benutzte Umschreibungen „überhängender
Kartoffelacker“ für das Gezerre an glatten Kieseln ist schon sehr treffend und
die damit einhergehende Kletterei in nicht immer ganz festem
Sandsteinkonglomerat ist mit Sicherheit um ein vielfaches gewöhnungsbedürftiger
als jene in der fränkischen Schweiz. Trotzdem warten an unzähligen Türmen und
Massivwänden jede Menge eindrucksvoller Routen auf potenzielle Wiederholer.
Aber leider Gottes werden viele von ihnen noch sehr, sehr lange oder gar
vergebens darauf warten. Denn schon Ende der 40er Jahre entbrannten die ersten
Streits um Gebietssperrungen und bis in die heutige Zeit ist das Sperren und
Öffnen einzelner Wände ein Politikum, zwischen Gemeinden, Bürgermeistern,
Landräten und Naturschutzverbänden auf der einen Seite und DAV und IG-Klettern
auf der anderen Seite. Wer jetzt meint, dass es doch nur löblich sei, in der
Eifel noch auf so viel Respekt vor der Natur zu stoßen, dem sei in Erinnerung
gerückt, dass der größte Stolz der Region Eifel wohl der Nürburgring ist.
Eine gravierende Folge dieser Sperrung ist, dass ein
wesentlicher Teil der Geschichte des Kletterns in der Region nicht weiterleben
kann. Historisch bedeutende Nadeln dürfen nicht mehr beklettert werden, viele
Routen die in der Schwierigkeitsentwicklung
eine wichtige Rolle gespielt haben sind nicht mehr wiederholbar. Eine
Weiterentwicklung existiert kaum noch oder nur geheim und illegal. Ein Beispiel
ist die Kühlenbuschquerung, die ersten Klettermeter in der Eifel im zehnten
Schwierigkeitsgrad. Es handelt sich um eine überhängende Traverse an kleinen
Leistchen und Slopern. Sie befindet sich an einem Quaken mitten im Wald. Weder
zu schützende Vogelbrut findet dort statt, noch sind irgendwelche seltenen
Farne und Flechten zu finden. Lediglich die Siedlung der schützenswerten
besseren Gesellschaft ist auf dem Weg zu diesem traumhaften Spot zu
durchqueren. Da ein Mensch mit Matte auf dem Rücken anzunehmender Weise eine
Menge kriminelle Energie besitzt, bleibt das Gebiet besser gesperrt und die
Siedlung frei von Mattenträgern.
Um die erste „echte Nach-oben-klettern-Zehnminus“ auch
vor unzulässigem Beklettern zu schützen, haben die dort ansässigen Nideggener
kurzerhand zur Flex gegriffen. Das Abflexen unliebsamer Kletterhaken ist
sicherlich eine über die Eifel hinaus
bekannte Praktik. Um aber ihrem
wunderbarem Ruf gerecht zu werden, wurden die Haken des „Zöllibats“ sowie
anderer bedeutender Routen lediglich an der oberen Seite durchgeflext. Wer es
nun also wagen würde, unerlaubt zu klettern, wird seine gerechte Strafe
bekommen. Und was die Strafe ist, wenn der nicht als defekt erkennbare Haken im
Sturzfall ausbricht, kann sich wohl
jeder ausmalen.
Nun schon seit langer Zeit ist der Status quo, dass
einige wenige Wände freigegeben sind. Insgesamt sind es wohl nicht einmal 10%
der vorhandenen Routen. Um aber nun an diesen wenigen Wänden Klettern zu dürfen,
muss man „Eintritt“ bezahlen. Was mir selber oft nicht mehr bewusst ist, wie
sonderbar es für einen nichteifler Kletterer klingen muss, dass man für das
Klettern an Felsen Eintritt bezahlen muss. Offiziell dient diese Praktik der
Kontingentierung der Kletterlaubnisse. Denn mehr als 100 Personen dürfen nicht
an einem Tag im Rurtal klettern. Dass diese Marke schon seit Jahren nicht mehr
erreicht wurde, nicht zuletzt, weil jeder Kletterer das geringe freigegebene
Potenzial eh schon längst abgegrast hat, ändert an dieser Regelung nichts. Ganz
im Gegenteil wurde es doch langsam Zeit den Eintritt von 2,50 Euro auf fünf zu
verdoppeln. „Zur Pflege des Klettergebietes“ wird das Geld verwendet, so heißt
es von Seiten der Stadt Nideggen. Das ändert weder etwas daran, dass in den
meisten Routen total verrostete Ringe baumeln, noch dass Kletterer hier und da schon einmal einen
Umlenkhaken plötzlich in der Hand halten. Aber glücklicherweise wurde in
Schilder investiert die den gebietsunkundigen Klettertouristen informieren, wen
er im Falle des ausgebrochenHakens oder sonstigen Unglücken anzurufen und zu
welchem Fels er die Retter zu bestellen haben. Dass aber insgeheim doch noch
vom internationalen Kletterbesuch geträumt wird, beweist die gleich in drei
Sprachen übersetzte Handlungsanweisung. In eine korrekte englische und französische
Übersetzung wurden die Gelder, die für ein bisschen Kletterspaß kassiert werden
jedoch nicht investiert. „Vous etes Hinkelstein 3“ und „Select the number 112“
klingen eher nach dem Werk der Dorfschullehrerin.
Wo es Regeln gibt, muss es natürlich auch Kontrollen geben,
ob diese auch befolgt werden. Und auch das kostet natürlich. So gibt es zwei
Kontrolleure, die den Besitz des an der Tankstelle Nideggen erworbenen
Klettertickets, sowie die Bekletterung der richtigen, also freigegebenen Wände
überprüfen. Ehrenamt mit kleiner Aufwandsentschädigung, so war meine Vermutung
für diese Tätigkeit. Die beiden älteren Herren, erfüllten ihre Pflicht
jedenfalls mit entsprechender Überzeugung und Bissigkeit. Doch zuletzt stolpere
ich tatsächlich über eine Anzeige der Stadt, wo eine Stelle als Kletterwart als
Minijob ausgeschrieben war welche nach TVöD Entgetgruppe 3 entlohnt werden
sollte. Auf meine per E-Mail eingereichte Anregung, den Posten eines
Kletterwarts mit einer Person mit Kletterkenntnissen zu besetzen, welche sich
auch um die „Pflege des Klettegebietes“ sprich um die längst überfällige
Sanierung der Haken kümmern könnte, bekam ich von der Stadt Nideggen leider
noch nicht einmal eine Antwort. Bleibt anzunehmen, dass die Eintrittsgelder für
erstrittene lebenslange Renten von verunfallten Kletterern nach Hakenausbruch
gespart wird.
Zuletzt waren Freunde von mir an einem sonnigen Wintertag
an erwähntem Sandsteinquaken im tiefen Nideggener Wald. Drei Erwachsene und ein
Kleinkind genossen die herrliche, frische und klare Luft. Und weil man schon
mal da war, probierte man natürlich auch mal die Züge der so bekannten wie auch
schönen Traverse aus. Ob es Anwohner waren die mit Argusaugen Matten auf dem
Rücken der jungen Leute erspäht hatten und folgerichtig zum Telefonhörer griffen
oder aber Zufall, mag ich nicht beurteilen. Jedenfalls hielten sie sich dort
noch nicht lange auf als schon der „Wadenbeißer“ von den Kontrolleuren mit gezücktem Handy
dastand und 110 „selectete“. Die jungen Eltern mit einem Bündel Kleinkind unter
dem Arm in die eine Richtung und der junge Mann, der unerkannt bleiben möchte
mit Klettermatte auf dem Buckel in die andere Richtung begann die wilde Flucht
vor der Nordeifler Auffassung von Recht und Ordnung. Als alle ihre an
unterschiedlichen Stellen geparkten Autos erreicht hatten und den „Tatort“
verließen, durchkämmten schon mehrere Streifenwagen die Umgebung.
Ein anderes Mal war ich mit einem Kumpel und einem rechtmäßig
erworbenen Kletterticket am dritten Hinkelstein klettern. Eine weitere
Seilschaft tauchte auf und begann zu klettern. Man kam ins Gespräch und
tauschte sich aus. Es wurde ein richtig netter Klettertag. Bis plötzlich ein
weißer Nobelgeländewagen den nicht allzu breiten Wanderweg herunterkam. Einer
der Jungs war gerade dabei einen 9er aus zu bouldern. Als er den Wagen sah
schrie er fast schon panisch „Lass mich runter!“, was sein Partner auch
gleich tat. „Schneller!“ Mit vielen
Jahren Sicherungserfahrung hielt ich diese Anweisung für nicht sonderlich
ratsam, denn es war sicherlich schon die Ablassmaximalgeschwindigkeit erreicht.
Als er nun den Boden erreicht hatte begannen sich beide von ihrem jeweiligen
Ende des Seils zu befreien und loszulaufen. 100 Meter ging es den Wanderweg
runter und dann schließlich in den Wald. „Die haben wohl kein Ticket“, sag ich
zu meinem Kumpel, da steht schon der Wadenbeißer neben uns. „Tickets“, man
könnte meinen, dass vor seiner Pensionierung die Kölner Verkehrsbetriebe sein
Arbeitgeber waren. Wir zeigen unsere Tickets vor. „Sind hier noch mehr Leute am
Klettern?“ „Nein“, behaupten wir. Wem gehört dann das Seil, das da hängt?“
„Uns.“ „Und die zwei Rucksäcke?“ „Wir sind mit viel Gepäck hier!“ Der
Wadenbeißer glaubt uns kein Wort und eine Befragung die Börne und Thiel alle
Ehre gemacht hätten beginnt und endet für ihn erfolglos. Als er weg war,
klettern wir noch mindestens ein halbes Stündchen, bis die beiden
Schwarzkletterer wieder auftauchen um ihre Sachen einzusammeln. Ob sie ihre
wertvolle Ausrüstung unter anderen Umständen geopfert hätten vergesse ich
leider zu fragen, aber wir zollen den beiden eine gehörige Portion Respekt für
Rebellentum und eine mehr als filmreife
Flucht.
So ist das Klettern in der Eifel. Wunderbar! Aufregend
anders, immer wieder ein Erlebnis. Und wenn die Verantwortlichen sich endlich
dazu durchringen könnten die Bestimmungen und Reglementierungen auf ein
Vernünftiges Maß zu reduzieren, wäre die Nordeifel wieder ein wunderbares Ziel
mit viel Potenzial für alle Kletterer der Region.
Ohne Zweifel: Eifel!
Ergänzung:
Man muss feststellen, dass die Bergwacht Nideggen begonnen hat Umlenker in einigen Routen auszutauschen. Es tut sich also erfreulicherweise etwas. Dementsprechend bleibt zu hoffen, dass das Rurtal sich im Laufe der Zeit wieder in ein lebendiges Klettergebiet entwickelt, Sperrungen aufgehoben werden und alte, rostige Haken ersetzt werden.
Weitere Links zum Klettern in der Eifel:
http://www.stonevibes.de/
http://www.klettern-im-rurtal.de/
Ohne Zweifel: Eifel!
Ergänzung:
Man muss feststellen, dass die Bergwacht Nideggen begonnen hat Umlenker in einigen Routen auszutauschen. Es tut sich also erfreulicherweise etwas. Dementsprechend bleibt zu hoffen, dass das Rurtal sich im Laufe der Zeit wieder in ein lebendiges Klettergebiet entwickelt, Sperrungen aufgehoben werden und alte, rostige Haken ersetzt werden.
Weitere Links zum Klettern in der Eifel:
http://www.stonevibes.de/
http://www.klettern-im-rurtal.de/
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