Sonntag, 15. September 2013

Trebenna? It´s the best!

Turkish Standard
 
 
Freudig mag ich berichten, dass in der neusten Ausgabe meiner Leib.- und Magen- Lektüre "KLETTERN" erneut etwas meines Geschreibsels abgedruckt wurde. In diesem Fall habe ich meine nicht nur von Efes und Gözleme handelnden Erlebnisse eines Kletterurlaubs in der Türkei niedergeschrieben. 



Nein, natürlich geht es nicht nur um kulinarisches, sondern auch, oder vorwiegend, wie der Titel des Magazins erahnen lässt, ums Klettern. Um Routen, Sektoren und Grade. 
Um Moves und Cruxes, um Ausdauerhämmer und Boulderlastige Linien. 
Aber nicht zuletzt geht es um die, die all das Betrifft: Die Typen, die sich "Climber" nennen. Die, welche in diesem Fall im josito -camp, zusammengekommen sind um sich an den Felsen von Geyikbayiri zu vergnügen.

Herzlich Danken möchte ich an der Stelle Öztürk und Tobias, für die vielen Infos und noch mehr Fotos und vor allem für eine tolle Zeit in der Türkei.

Alles nachzulesen im Heft:


Klettern September 2013 

Freitag, 13. September 2013

Extreme Wagnisse


...aber nicht nur Reinhold ist bereit viel zu wagen:

 




Auch Jerry Moffat: 

Extrem Minimalistisches in tuntig-pinken Lycras.



Oder natürlich Kurt Albert:

Extremer Sautanz in extrem kurzen Turnhosen. 




Auch er ist dabei, Wolle Güllich:

Extremer Klimmzug in verdammt weißen und viel zu langen Tennissocken.








Aber das stilistisch wohl größte Wagnis geht dieser Alpinist ein:
 Extremes Frieren am Watzmann in völlig uncooler Hippiemütze!

Donnerstag, 5. September 2013

Der schwerste 6. Grad...



...oder ungewollte Neuerschließung

Schweigend sitzen wir in der offenen Hecktüre des Bullys und mummeln unser Frühstücksbrötchen in uns hinein. Es ist kurz nach sechs Uhr morgens. So früh steht man nun wirklich nicht an einem Urlaubstag auf. Doch gestern ist es schon so unerwartet heiß geworden, dass wir in der Wand beinahe verbrannt wären. Schultern und Beine zeigen  deutlich rote Spuren des intensiven Sonnenbades. Also wurde heute der Wecker noch eine Stunde früher gestellt. Vielleicht sind wir ja, wenn es richtig heiß wird, schon oben. 8 Seillängen bis zum glatten 6. Grad sollen uns 250 Meter die Parete San Paolo hinaufführen. Selene heißt dann die ganze Unternehmung. Die Göttin des Mondes. Passt zumindest zur Uhrzeit.

 
So richtig hat keiner Lust zu reden. Die Euphorie ist im Laufe der Tage einer gewissen Routine gewichen. Aufstehen, frühstücken, klettern, absteigen, relaxen. Auch sind wir nach diversen Klettertagen und großer Hitze schon ganz schön fertig. Trotzdem sollte es heute die „Selene“ noch mal sein. Hat es doch vorgestern schon wegen akutem Kräftemangel zum Abbruch nach der ersten Seillänge und einem eingeschobenen Pausentag geführt.
Eine halbe Stunde später finde ich mich am ersten Stand wieder. Auch Heni scheint im Nachstieg gut voranzukommen. Mein Blick wandert über die Bergketten und ich beobachte, wie sich die ersten Sonnenstrahlen über den Monte Stivo kämpfen. „Lass dir ruhig Zeit“, flehe ich die Sonne gedanklich an. Doch am 2. Stand brennt sie schon wieder unerbittlich auf unserer Haut. Dafür läuft die Kletterei gut. Heni erreicht mich und wir werfen gemeinsam einen Blick auf den gestern liebevoll von mir abgezeichneten Routentopo. Ein bisschen nach links queren und dann über einen kleinen Überhang, so stellt sich die Skizze dar. Also klettere ich los. Eine Sanduhrschlinge führt zu einem Ringhaken. Von dort sehe ich weit entfernt links über mir einen Überhang. Da muss es sein. Also quere ich weiter. Inzwischen ca. 5 Meter links vom letzten Ring sehe ich trotz der bislang akzeptablen Absicherung weder einen Haken noch einen offensichtlichen Ort, der eine mobile Sicherung beherbergen würde. Die zu überwindende Platte wird griff- und trittärmer. Doch noch mal einige Meter weiter links entdecke ich ein kleines Plateau und nach einem untersuchenden Blick auch zwei Standhaken. Laut Topo sollte dort zwar gar keiner sein, doch in Anbetracht des sonst entstehenden Seilverlaufs war es auch wiederum gut, dass dort noch ein Zwischenstand eingerichtet worden war. Eine runde, offene und wenig tiefe Einfurchung durch die Platte schluckt glücklicherweise meinen 2er-Camelot. Nicht nur an mich, sondern auch an die nachsteigende Heni denkend empfinde ich das zu absolvierende Manöver vom Ring zum Stand zu gelangen als halsbrecherische Aktion. Leider spuckt die Wand meinen Lieblingscam bei meiner ersten Bewegung wieder aus. Dieses altbekannte Gefühl steigt in mir auf. Jenes, welches immer wieder im Laufe eines Kletterlebens die Frage auf wirft: Was mache ich hier? Warum sitze ich nicht am Gardasee oder in einem Eiscafé?
Beim zweiten Mal wird mein Cam geduldet. Dass er im Sturzfall an Ort und Stelle bleibt, glaube ich in diesem Moment schon, aber nur, weil ich es glauben möchte, und rette mich mit hektischen Bewegungen auf das Plateau. Ich hoffe, dass Heni jetzt ebensoviel Glauben aufbringen wird, und fordere sie zum Nachkommen auf. Auch sie kommt mit kleineren mentalen Verschleißerscheinungen am Stand an. Erneut wird meine Toposkizze begutachtet und diskutiert. Beide sind wir uns einig, dass dieser Stand eine sehr vernünftige Sache ist. Wie wäre doch die Seilreibung gewesen, wäre man direkt weitergeklettert? Und überhaupt bieten sich doch diese Quadratmeter, zudem im Schatten gelegen, für diesen Zweck an.
 
Und von diesem Punkt konnte man nun das erste Highlight der Route angehen. Der erste von „vielen Überhängen, die infolge ihrer Gutgriffigkeit relativ leicht zu übersteigen sind“, so stand es geschrieben. Im 6. Grad befindet sich diese Passage und voller Vorfreude steige ich ihr entgegen. Die 3 Meter überhängender Fels sind von einem Riss durchzogen, welcher offensichtlich auch die darüber liegende Wand teilt. Ich klettere die ersten Meter an. Gute Griffe finde ich nicht. Vielmehr bleibt erst einmal nur, den Riss zu piazzen. „Darüber wird schon eine Kelle kommen“, denke ich, aber sie kommt nicht und während meine Arme dicker werden, klettere ich bis zum letzten No-Hand-Rest vor dem Überhang ab. „Ich bin ja auch schon platt, zudem schmieren die Griffe in der prallen Sonne. Wirst dir doch jetzt nicht den Onsight nehmen lassen. In einer 6er-Seillänge!“ Also noch mal. Die Züge gehen schon etwas besser, aber die Suche nach der relativen Gutgriffigkeit bleibt wieder ergebnislos. Und noch mal, und wieder ab zum No-Hand. Und noch mal und noch mal. „Das muss doch gehen!“ Die Versuche werden schon etwas ungeduldiger und wütender und schließlich stehe ich wieder am Ende des Überhangs in Piaz-Stellung und gebe die Suche nach der Kelle auf. Stattdessen stelle ich, krampfhaft das Öffnen der Tür verhindernd, pumpend und keuchend, „Jetzt aufpassen“ rufend, den linken Fuß auf Reibung, den rechten in den Riss, den linken nochmals hoch und stemme mich weiterhin mit aller Spannung in die Gegendruckposition. Inzwischen liegt die letzte Sicherung weit unter mir und das Einhängen der leicht angegammelten Seilschlinge würde nochmals ein extrem wackeliges Unterfangen werden. Mit Armen dick wie Betonpfeiler und einer ordentlich angeschlagenen Psyche würge ich das Seil in die Expressschlinge und atme auf. Auch auf dem Weg zum Stand vermisse ich die relative Gutgriffigkeit, aber der ernsthaften Gefahr entronnen, lassen sich die übrigen Meter auch noch absolvieren.

„Immer tüchtig in die Schlingen greifen“, lautet mein wohlwollender Rat an Heni, in der Sorge, dass sie als bekennender Nichtfan von Überhängen dort auch ihre liebe Not haben wird. Wie eine halbe Ewigkeit kommt es mir vor, die Heni benötigt, um die Länge begleitet von einigen Unmutsäußerungen zu absolvieren.
Ich nutze die Zeit, die nächste Länge zu mustern. Und um mir die Gefährlichkeit des weiteren Abstands zur ersten Sicherung gründlich einzureden. Zudem tauchen wieder kleinere Ungereimtheiten zwischen Skizze und Realität auf. Ob der Topo schlecht ist oder ich schlecht abgezeichnet habe, mag ich in dem Moment nicht beurteilen, aber es ist wie üblich anzunehmen, dass die Schuld nicht bei mir liegt. Wie dem auch sei –die namensgebende mondsichelförmige Verschneidung geht nicht senkrecht über dem Stand los. Vielmehr gilt es, vorweg ca. 15 Meter Querung zu absolvieren, bis ich eine, wenn auch kurze und nicht gebogenen, Verschneidung ausmachen kann. Als Heni offensichtlich auch etwas von der Kletterei mitgenommen bei mir auftaucht, informiere ich sie kurz über die Ungereimtheiten und klettere dann los. Mit der entsprechenden psychologischen Vorarbeit  im Gepäck klettere ich zittrig die erste Seilschlinge 4 Meter über meinem Kopf an. Die Platte ist von der Sonne schmierig. Eine traumhafte Querung folgt. Es geht unter einer goldgelben, versinterten Wandzone her und nach einigen Metern steige ich in Richtung Verschneidung an. Dort angekommen sind meine Arme wieder ziemlich dick und ich schüttele die restlichen Meter bis zum Stand fast an jedem Griff sekundenlang meine Arme aus.


Heni kommt nach. Die „Mach mal zu“-Frequenz steigt deutlich an. Da ich nun in der prallen Sonne stehe, meine Füße in den Kletterschuhen auf das doppelte angeschwollen sind und nun der Platz im Inneren nicht mehr auszureichen scheint, weil meine gestern noch leicht geröteten Schienenbeine  sich im Zeitraffer von Lachs- zu Krebsrot verfärben und weil ich überhaupt einen großen Drang verspüre, bald anzukommen, bete ich mantraartig: „Komm schon, mach schon, das bekommst du schon hin!“, vor mich hin.

„Ich komme hier nicht weiter. Hier geht gar nichts mehr!“, reißt mich jäh aus meinem Gebet. Heni hängt in der Verschneidung. Immer und immer wieder probiert sie, die Stelle zu lösen, doch es lässt sich kein Millimeter mehr Seil einholen. „Geif ins Pärchen! Häng dir ’ne Schlinge als Tritt ein! Lass ruhig alles hängen!“, sind meine Empfehlungen. Doch immer wieder kommt: „Geht auch nicht!“ als Antwort. 4 SL trennen uns nur noch vom Gipfel und einem bequemen Spaziergang ins Tal. Zugegebenermaßen keine sonderlich leichten, wenn man dem Topo glauben darf, aber alles absehbar. Mit Grausen denke ich jedoch an eine mögliche Abseilfahrt und die damit verbundenen Ungewissheiten und Strapazen. Eine SL mit langer Querung, die Plattenstelle, die den Camelot nicht aufnehmen wollte, zurückklettern und überall Bäume und Büsche in der Wand, die mit Vorliebe abgezogene Seile auffangen und nicht wieder freigeben. „Komm schon, mobilisiere noch mal alles! Das geht schon und hier oben reden wir weiter!“, rufe ich noch mal verzweifelt runter. Als Konsequenz wird auch tatsächlich das Seil locker und Heni bewegt sich weiter aufwärts. Stück für Stück kämpft sie sich zum Stand. „Eine Seillängen im 5. Grad und wir haben etwas Schatten unter dem großen Dach. Dort pausieren wir etwas und überlegen dann, ob wir weiterklettern oder abseilen.“ Heni stimmt zu. Natürlich steht die Sonne so , dass es unter dem großen Dach keinen Quadratmillimeter Schatten gibt, und natürlich fällt es Heni nicht wesentlich leichter , diese Seillänge zu absolvieren. Nach den letzten verzweifelten Überredungsversuchen meinerseits („Nur noch 3 Längen!!!“) beginnt die Abseilfahrt durch den Glutofen der Parete San Paolo. Die zuletzt gekletterte Länge ist noch unproblematisch. Doch dann gilt: Alles, was man hingequert ist, muss man auch wieder zurückqueren. An der Prusik halb baumelnd halb kletternd erreiche ich einen Ringhaken und hänge eine Expressschlinge ein. Auf Höhe des Standes versuche ich das gleiche Manöver nochmals, mit dem Unterschied, dass der Weg durch einen dichten Busch versperrt ist. An diesem angekommen, hängt das Seil schon im 45 Gradwinkel und ich habe das Gefühl, jemand umklammert mich fest an der Hüfte. In unelegantester und auf nichts mehr rücksichtnehmender Art durchquere ich den Busch und hänge schnell meine Bandschlinge ein bevor es mich quer durch den Busch zurückzieht. So schon bin ich von oben bis unten zerkratzt. Heni ergeht es nicht viel besser. Sie muss ja noch die Schlingen aushängen. Beide ziehen und zerren wir, ich am unteren Ende des Seils, um sie durch den Busch in Richtung Stand zu manövrieren, sie an Fels und Busch und was sie sonst noch zu greifen bekommt. So langsam beginnen wir, uns mit unschönen Titeln anzureden und genügend Gründe zu finden, warum der andere Schuld an der Misere ist. Das Schlimmste an der gesamten Situation ist die Tatsache, dass die Sarca in Seh- und Hörweite gemütlich gen Gardasee fließt und die Sehnsucht nach ein wenig Erfrischung kaum noch auszuhalten ist. Aber weiter geht die Abseilfahrt bis zum schon öfters erwähnten Plateau. Dort, endlich mal im Schatten, beruhigen wir erst einmal die Gemüter und überlegen. „Wenn wir die SL nicht zurück klettern wollen, müssen wir ins Ungewisse gerade runter seilen. Leicht schräg versetzt müsste der vorherige Stand sein …“ Sehr unsicher bin ich mir in dieser Vermutung, habe aber auf der anderen Seite wenig Lust, die Querung, die meine Cams so gar nicht mag, zurück zu klettern. „Bestimmt! Mach das! Da kommt bestimmt ein Stand!“ Ich glaube bis heute nicht, dass diese Ermutigung auf der Abwägung von Fakten und dem daraus resultierenden Schluss basierte. Vielmehr scheint der Unwille zu queren bei Heni um ein Vielfaches ausgeprägter zu sein. Also seile ich ins Ungewisse hinab. „Hier sind Sanduhrschlingen einer anderen Tour!“, rufe ich Heni zu, „dann finden wir hier auch einen Stand!“ Tue ich auch wenige Meter darunter. Der erscheint mir ziemlich unbequem und so seile ich weiter ab in der Hoffnung, auf dem darunterliegenden Band den  ersten Stand unserer Route zu finden. Dies hieße dann nur noch eine Abseilfahrt. Und dem ist dann auch so.

Wenigstens das Bier ist kalt!

Wie geschlagene Ritter kommen wir in brütender Hitze auf dem Parkplatz direkt an der Sarca an. Mit uns eine weitere Seilschaft, die ebenfalls schlecht gelaunt und schimpfend von ihrer ebenso ätzenden Abseilfahrt in der Via Helena berichtet. Die gruppentherapeutische Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs und der anschließende Sprung in die Sarca lassen die Enttäuschung etwas abklingen. Aber mir kommt da auch ein Gedanke. Wieder am Bully zurück zücke ich den Topo, welcher als Vorlage für meine Skizze diente, und beim ersten Blick kommt mir das Gespräch während des gestrigen Zeichnens wieder in den Sinn.
„Hier ist die Nachbartour eingezeichnet, die dort entlangläuft, willst du das nicht mit einzeichnen?“ „Ach Quatsch. Da müsste man schon sehr doof sein, um sich in die Nachbartour zu verirren.“ Offensichtlich waren wir sehr doof! Resultat des nicht mit skizzierten Routenverlaufs der Nachbartour war: eine „neue Seillänge“ mit einer ca. 10-Meter-Querung auf einer ungesicherten und kaum absicherbaren Platte und Onsight-Begehung der beiden Schlüsselseillängen der Elios im Grad 7+ und 7. Und hätten wir zu guter Letzt noch gewusst, dass die verbleibenden 3 Längen leichter gewesen wären als die, die auf unserer Skizze standen, wären wir vielleicht noch bis zum Gipfel geklettert und hätten eine brandneue Kombination „erschlossen“. So oder so beginnen wir laut zu lachen und freuen uns, mal wieder den „Rückzug im Ernstfall“ geprobt zu haben, auch wenn der letzte Klettertag ohne Durchstieg blieb.