Sonntag, 14. Juli 2013

Bloc-Spaß



Elsässische Boulderspezialitäten statt Flammkuchen




Regen, Regen, Regen! Seit Wochen jeden Morgen das gleiche Bild, wenn man aus dem Fenster schaut. „Ein besonders milder Dezember“, ist es, was die Meteorologen tagtäglich über die Medien mitteilen. „Unwinterlich trüb…“ war die wohl treffendste Beschreibung die das Radio lieferte. Und all diese Faktoren lassen Henis und meine Hoffnungen schwinden, dass wir wie so häufig schon zwischen Weihnachten und Neujahr die freien Tage nutzen können um ein paar Tage zum Bouldern raus zu fahren. Jeden Tag der Blick auf die aktuellen Berichte sämtlicher Wetterseiten, die das Internet hergibt. Doch jedes mal bleibt nur der Gang in die muffige Kletterhalle...


Seltenes Vergnügen in diesem Winter!
Doch dann, nur noch drei Tage bleiben, bis die Arbeit wieder ruft, gebe ich, weil mir nichts anderes mehr einfällt, Saverne als Suchbegriff bei Wetter.com ein. Und was wir dort sehen, lässt uns sofort ein Zimmer im Formule 1- Hotel buchen, die Crashpads und Kletterschuhe ins Auto werfen und losfahren. Heute Regen, übermorgen Regen doch morgen, an Sylvester, morgens, mittags und abends eine gelbe Sonne und kein Wölkchen. Das reichte uns als Vorwand dafür eine Stunde später im Auto zu sitzen und das nassgraue Köln hinter uns zu lassen. Zumindest für einen und zwei halbe Tage.

Vor einigen Jahren war ich schon einmal zum Bouldern in Saverne im Elsass. Doch da es weniger namenhaft und nicht so groß ist wie andere gut erreichbare Spots, haben wir lange nicht mehr daran gedacht den Laurenzo-Boulderfelsen einen erneuten Besuch abzustatten. Dabei handelt es sich zwar um ein kleines aber trotzdem sehr feines Gebiet, welches durchaus einen Besuch lohnt. An ca. 20 Blöcken verteilt finden sich 140 verschiedene Probleme von 3+ bis 7c+/8a der Fontainebleauskala. Platten, Überhänge, Kanten, Traversen und Dächer; Sloper, Leisten und Löcher nichts fehlt, was Freunde des vertikalen Kurzprogramms benötigen um glücklich zu sein. Der kompakte, graue und rötliche Sandstein ist fest und sehr rau. Die meisten Blöcke sind nicht sonderlich hoch und das Absprunggelände ist durchweg gut.

Namen- aber nicht Charakterlos: eine 5+ am "Grand Houx"...

Im Jahr 1999 hat sich der 60-jährige Laurenzo ans Werk gemacht und in mühevoller Arbeit die Boulder freigelegt und geputzt , sowie die Einstiege von Felsblöcken befreit. Entstanden ist ein wirklich toller Boulderspot mit vielen leichten und mittelgradigen Problemen. Aber auch genügend harte Moves sind zu finden, so dass wirklich jeder auf seine Kosten kommen kann.
...und noch eine!
Am letzten Tag des Jahres stehen wir nun hungrig aufs draußen sein und hungrig auf Fels unter den Fingern auf einem landschaftlich wundervollem Plateau hoch über Saverne. Trotz des Windes stellen wir etwas enttäuscht fest, dass der wochenlange Regen doch auch hier noch nicht vergessen ist und leider einige Boulder noch nass sind.

Am Block „Azothe“ machen wir uns ans Werk. Schwierigkeiten zwischen 3+ und 6a+ laden hier zum Aufwärmprogramm ein. Wobei wir erschreckt bemerken, dass sich der individuelle Aufwärmgrad ganz schön zäh anfühlt. Wir nehmen mal ganz optimistisch an, dass wir uns in Hallenboulderbestform befindend mit der Materie Fels erneut anfreunden müssen. Nichts desto trotz machen die Boulder Spaß und sind trotz der Kürze schön und anspruchsvoll.

Dynamisch zum Ausstieg in "Bourrin de couer"

Als nächstes zieht es mich an den lang gezogenen Überhang von „Le grand houx“. An der kompakten Wand überwiegen steile, kräftige und dynamische Klettereien an meist acht bis neun Finger schonenden Löchern, sowie schlechten Leisten. Die Probleme sind meist sehr definiert. Ohne genaue Beschreibung (und selbst mit) ist man sich nicht immer sicher, ob man sich noch in der gedachten Linie befindet. Dies ist jedoch bei einem so fantastischen Stück Fels eher zweitrangig. Wir starten mit „L´angle de la sueur“ einer 6a im rechten Teil des Überhangs. Leisten und Sloper führen in wenigen aber für den Grad wiederum sehr kräftig daherkommenden Zügen zur Kante und dem abschließendem Mantel. Auch bei dem Dyno von „Bourrin de Coeurs (gauche)“ fühl ich mich schon eher im Land des siebten Fontainbleaugrades angekommen. Doch tatsächlich mühe ich mich in einer 6b ab. Fest steht, die Bewertungen sind bei vielen Bouldern sehr hart, aber die Kletterei gefällt uns rundherum gut. Weiter geht es am, wie der Name vermuten lässt, wesentlich kleineren Block „Le petite houx“. Klein aber oho! Leichte Boulder sucht man an diesem 2,5 Meter- Steinchen vergebens. Dafür findet man überhängende Powerprobleme für die man zum größten Teil nur die beiden stärksten Finger einer jeden Hand benötigt. Unter anderem befindet sich hier auch mit „Houla Man“(7c+/8a) der schwerste Boulder des Gebietes. Da ich mich lediglich mit „Citadelle“ (6b) und „Pied souple et biceps ferme“ (6c+ trav.) vergnüge, frage ich mich, was denn wohl einen potentiellen Wiederhohler in diesem Zweizugproblem erwarten mag. In „Pied souple et biceps ferme“ jedenfalls erwarten mich drei Einfingerlöcher, an denen ich mit wilden Kreuzzügen nach rechts traversieren muss. Das Ausloten der Schmerztoleranz ist hierbei wohl die größere Herausforderung, als das Herausfinden der korrekten Lösung des Boulders. Doch Zähne zusammengebissen und alles Vertrauen in die Stabilität der Mittelfingerringbänder gesetzt, erweist sich auch diese Linie als echter Spitzenboulder.
In "La citadelle" sucht man Henkel vergebens!
Auch im fünften Grad findet man an den Laurenzo- Boulderfelsen eine Menge tolles zum Klettern. Im rechten Teil des „grand houx“, wo der Überhang in eine Platte übergeht finden sich drei tolle namenlose Bewegungsboulder in dieser Schwierigkeit. Das Schönste startet sitzend unter dem Überhang und führt mittels eines wackligen Mantel in die Platte und dann zur Kante.



Der raue Fels fordert seinen Tribut. Zwar halten selbst meine sonst am Fels ungeliebten Hallenpuschen auf jedem Tritt und selbst die manchmal noch leicht klammen Griffe haben eine Reibung wie Fontaibleau bei null Grad, doch schon nach wenigen Stunden des Vergnügens fließt das Blut in Strömen aus diversen Rissen in den Fingern und die Haut an den Händen brennt wie Feuer. Schließlich müssen wir uns geschlagen geben, zusammenpacken und zurück ins F1-Hotel fahren. Aber immerhin wartet ja noch die Sylvestersause auf uns…

…so dachten wir zumindest, bis wir merkten, dass in Saverne kein Bierchen und kein Flammkuchen zu haben ist, dass kein Mensch unterwegs ist und kein Sylvester auf der Straße stattfindet, solange es noch nicht Mitternacht ist. Aber dies ist eine andere Geschichte.

Am ersten Tag des neuen Jahres regnete es wieder Bindfäden. Froh diesen einen Bouldertag gehabt zu haben fuhren wir zurück nach Köln um den ersten schönen Tagen am Fels im Jahr 2013 entgegenzufiebern.
Alle Infos und Topos findet ihr auf: